Produktive und destruktive Fehlerkultur
Wie ich im Beitrag „Fehler machen dürfen“ ausgeführt habe, ist eine konstruktive, positive oder produktive Fehlerkultur eine wichtige Grundlage für den Erfolg eines Unternehmens oder einer Organisation.
Die im vorangegangenen Beitrag zu diesem Themenkomplex vorgestellten Fehlerstrategien: Fehlerlosigkeit, Fehlervermeidung, Fehlerfreundlichkeit und Fehleroffenheit sind teilweise gegensätzlich. Aber da sie in ein und derselben Organisation vorkommen (können), muss eine produktive Fehlerkultur diese integrieren können. Die Beschäftigten müssen die Kompetenz besitzen, situationsabhängig die passende Fehlerstrategie anzuwenden.
(Siehe auch Drei-Säulen-Modell von Elke M. Schüttelkopf)
Ob aber eine Fehlerkultur im jeweiligen Bereich der Organisation, im jeweiligen Anwendungsfall produktiv ist, hängt von den Anforderungen ab, die wir an sie stellen, und ob wir diese erfüllen oder ihnen zuwiderhandeln.
Fehler vertuschen wirkt immer destruktiv
Ein Fehler, der immer destruktiv ausstrahlt, ist: Fehler zu verschweigen, zu vertuschen oder abzustreiten. Es genügt häufig schon der hinter vorgehaltener Hand geäußerte Verdacht, dass der oder die Betroffene den Fehler verursacht/begangen hat, es nur nicht zugeben will.
Es leidet nicht nur die Glaubwürdigkeit der Person, die des Fehlers verdächtigt wird. Ein solches Fehlverhalten torpediert geradezu jegliches Streben von Kollegen und Mitarbeitern nach positiver Fehlerkultur. Dies gilt für alle Bereiche und alle Fehlerstrategien.
Leider ist ein solches Fehlverhalten ziemlich ausgeprägt – sowohl in der Wirtschaft als auch besonders in der Politik.
Fehlerlosigkeit – produktive/destruktive Fehlerkultur
Bei den Extremrisiken mit der Anforderung der Fehlerlosigkeit ist dies vergleichsweise einfach. Hier dürfen Fehler NICHT passieren. Tun sie es doch, ist dies hochgradig destruktiv.
Schon Beinahe-Unfälle oder Beinahe-Fehler oder In-Kauf-Nehmen größerer Fehlerrisiken wirken destruktiv.
Fehlervermeidung – produktive/destruktive Fehlerkultur
Geht es um die Sicherung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen, ist – grob gesprochen – jeder Fehler einer zu viel. Ständige Fehlerursachen-Analyse und Prozessoptimierung, klare Regeln und strenge Disziplin sind einige wichtige Maßnahmen, um Fehler zu vermeiden und fördern damit eine positive Fehlerkultur.
Tun wir das Gegenteil und lassen hier z. B. Disziplinlosigkeit zu oder akzeptieren das Fehlen klarer Regeln, wandelt sich die produktive in eine destruktive Fehlerkultur.
Destruktiv wird die Fehlerkultur aber auch schnell, wenn das Regelwerk sich verselbständigt und den Bezug zur betrieblichen Praxis verliert. Wenn eine Regel um der Regel willen eingehalten werden muss, obwohl der ursprüngliche Grund für diese Regel längst entfallen ist oder zumindest ihr konkreter Nutzen nicht mehr vermittelbar ist. Oder wenn das Regelwerk einfach zu kompliziert oder zu bürokratisch ist.
Fehlerfreundlichkeit – produktive/destruktive Fehlerkultur
In der Innovation zählen vor allem neue Erkenntnisse und Ideen. Zu einer produktiven Fehlerkultur in diesem Bereich gehören die Akzeptanz von Fehlern bis hin zu extremer Risikokultur, die Wertschätzung des Erkenntnis-Potentials, das in gemachten Fehlern steckt, die Offenheit gegenüber Querdenkern, kreativen Lösungsansätzen usw. Positives Feedback – auch bei Fehlern – fördert die Eigeninitiative. Siehe auch agile Organisation …
Wird die Experimentierfreude dagegen stärker eingeschränkt, herrschen Konformitätsdenken und Gruppendruck oder ein Klima, das Jasager fördert, sprechen wir von destruktiver Fehlerkultur. Natürlich kommt dann kaum noch jemand mit neuen Ideen um die Ecke. Eher sind Perfektionismus und einfache Standardleistung angesagt. Kaum jemand wagt sich aus der Deckung. Häufig ist solch ein Arbeitsumfeld auch mit deutlich mehr Stress verbunden.
Fehleroffenheit – produktive/destruktive Fehlerkultur
Lernerfolg beruht zu einem erheblichen Teil auf gemachten Fehlern und wie mit ihnen umgegangen wird. Offenes Feedback, wohlwollende Kritik und deren selbstbewusste, selbstkritische Akzeptanz durch die Betroffenen sind Merkmale für eine produktive Fehlerkultur in diesem Bereich.
Werden Fehler aber stigmatisiert oder haben die Lernenden gar Angst vor Fehlern und vor dem Scheitern, werden diejenigen, die Fehler machen, dafür ausgelacht, verspottet, ausgegrenzt oder anderweitig benachteiligt, ist das eindeutig kontraproduktiv. Eine solche Lern-Umgebung ist ein klarer Erfolgskiller und absolut destruktiv.
Wie geht es weiter?
Demnächst befasse ich mich ausführlicher mit der in Deutschland überwiegend gelebten Fehlerkultur und zumindest mit einigen ihrer Wurzeln und Ursachen.
Ludger Grevenkamp
29. Juni 2018
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