Digitalisierung – was ist das? – Teil 3

In den ersten beiden Teilen dieser Blog-Serie habe ich deutlich gemacht, dass es Digitalisierung und digitalen Wandel in Deutschland seit mindestens fünfzig Jahren gibt. Mit exponentiellem Wachstum. Viele dadurch verursachte Veränderungen haben wir nicht besonders gut gemeistert … 

In diesem Beitrag erläutere ich den Netzwerkeffekt und die Bedeutung von Informationen.

Netzwerkeffekt Internet

Was in der „old economy“ der Skaleneffekt ist, ist in der „new economy“ der Netzwerkeffekt.

Mit Skaleneffekten sind wir bestens vertraut: Je mehr produziert wird, umso leichter lassen sich die Kosten für Entwicklung umlegen. Je günstiger die Produktion z. B. wegen höherer Stückzahlen, umso niedriger kann der Verkaufspreis sein. Und so weiter.

Digitalisierung zu verstehen, ohne den Netzwerkeffekt zu kennen, ist schwierig. Um ihn zu veranschaulichen, erinnern wir uns an eine Aufgabe unserer Schulzeit:

„Die Personen auf einer Party stoßen mit ihren Gläsern an. Jede Person genau einmal mit jeder anderen Person. Wie oft macht es ‚kling‘?“

Wir kennen die Antwort: Bei zwei Personen macht es genau einmal ‚kling‘, bei vier Personen schon 6-mal, bei 10 Personen 45-mal.

Robert Metcalfe, einer der Entwickler des Ethernets, das auch heute noch die Grundlage unseres LAN und WLAN bildet, hat die hinter diesem Sachverhalt stehende einfache Regel, die auch nach ihm benannt ist, als erster ausgesprochen: Der Nutzen eines Kommunikationssystems steigt mit dem Quadrat seiner Teilnehmerzahl. Zwei Computer (= zwei Teilnehmer) haben nur eine mögliche Verbindung. Bei tausend Computern sind wir schon bei einer halben Million möglicher Verbindungen zwischen jeweils zwei Computern.

Sind in einem Kommunikationssystem die Teilnehmer Menschen, kommt zum gerade Beschriebenen noch die „positive Rückkopplung“ hinzu. Diese bedeutet: Je mehr Nutzer ein Netzwerk hat, umso attraktiver ist es für neue Nutzer. Letztere vergrößern die Nutzeranzahl und erhöhen damit wiederum die Attraktivität für andere neue Nutzer. Und so weiter. Ein sich selbst verstärkender Erfolg. Der Starke wird immer stärker und verdrängt die Schwächeren. „The winner takes it all!“

Entdeckt hat den Netzwerkeffekt wohl Theodor Vail, der Präsident von Bell Telephone in den USA. 1908 schlug er vor, die etwa 4000 eigenständigen Telefonvermittlungsstellen landesweit zu bündeln. Daraus entwickelte sich die Monopolgesellschaft AT&T (American Telephone and Telegraph), die 1982 nach einem langwierigen Gerichtsverfahren zerschlagen und in sieben regionale Telefongesellschaften aufgespalten wurde.

„Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.“

Nüchtern müssen wir feststellen, dass wir in Deutschland erst langsam anfangen zu begreifen, was Carly Fiorina, ehemalige CEO von Hewlett Packard, schon vor vielen Jahren so formuliert hat: „Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.“ Vor allem haben fast alle unterschätzt, wie rasant sich die digitalen Technologien weiterentwickeln und was sie im Verbund bewirken können. Eben Netzwerkeffekt!

Ein flächendeckendes Internet für Jedermann gibt es seit etwa 20 Jahren. In der ersten Hälfte dieser 20 Jahre, von 1997 bis 2007, hat sich die Zahl der weltweiten Internet-Nutzer mehr als verzehnfacht; in den folgenden 10 Jahren, von 2007 bis 2017, nochmal knapp verdreifacht – bis auf heute 3.5 Milliarden Menschen.

Smartphones gibt es gerade mal seit gut 10 Jahren mit aktuell etwa 2,5 Milliarden Nutzern. Einfache Mobilfunkgeräte gehen noch On Top.

Heute hat etwa die Hälfte der Menschheit Internet-Anschluss. Davon sind fast alle per E-Mail, Skype, Facebook oder WhatsApp etc. erreichbar. Per Internet erreichbar zu sein, ist praktisch ein Muss. Umgekehrt, fast jeder der etwas mitzuteilen hat, tut dies vor allem im Internet.

„Informationen sind der Rohstoff der Zukunft.“

Mit innovativen und hoch-skalierbaren Geschäftsmodellen bieten Unternehmen wie Google, Facebook, LinkedIn, Amazon, Snap ihre Leistungen über das Internet Millionen von Menschen an. Suchmaschinen und soziale Netzwerke sind heute aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Diesen millionenfachen Zugang zu Konsumenten und das Wissen über sie („Informationen sind der Rohstoff der Zukunft!“) nutzen sie wiederum als Einnahmequelle.

Die großen US-amerikanischen Internet-Unternehmen dominieren in ihrem jeweiligen Betätigungsfeld nahezu die gesamte westliche Welt. Und wir lassen sie gewähren und sind vielleicht sogar noch stolz darauf, wenn ein solches Unternehmen eine deutsche Niederlassung gründet oder ein Logistikzentrum errichtet.

Die vordergründig kostenlose Suchmaschine von Google oder das kostenlose Beziehungsnetzwerk Facebook bezahlen wir de facto mit unseren Daten. Mit den Informationen, die Auskunft geben über unsere Interessen, Lebensgewohnheiten, Orte, an denen wir uns aufhalten, Menschen, mit denen wir umgehen usw. usw. Die Internet-Riesen erzielen damit jährlich (2017) weit über 100 Milliarden Dollar Umsatz, dem aktuellen Gegenwert unserer freiwillig = kostenlos überlassenen Informationen.

Zwei Unternehmen, Google incl. YouTube und Facebook incl. Instagram kontrollieren heute 60 % des weltweiten digitalen Werbemarktes, mehr als 20 % des gesamten weltweiten Werbemarktes. (Die Auswirkungen des jüngsten Skandals „Facebook / Cambridge Analytica“ bleiben natürlich abzuwarten.) Eine solch dominante Marktposition ist charakteristisch für die großen Internet-Unternehmen. Darauf werde ich im nächsten Teil dieser Blog-Reihe näher eingehen.

China hat die wirtschafts- und machtpolitische Bedeutung von Informationen frühzeitig erkannt, sich den Bestrebungen von Google & Co. entgegengestellt und eigene nationale Champions wie Baidu, Alibaba etabliert und gefördert. Russland versucht Ähnliches.

In Europa gibt es nur wenige Unternehmen, die den Tech-Giganten zumindest in einzelnen Bereichen nennenswert Paroli bieten können. Die deutsche SAP ist eines dieser Unternehmen. 2012 hat SAP die kalifornische Ariba übernommen und verfügt damit heute über die weltweit größte Cloud-basierte Beschaffungsplattform im Business-to-Business (B2B) Bereich. Als Kaufpreis zahlte SAP mit 4,3 Milliarden Dollar ungefähr den 10-fachen Umsatz von Ariba.
Die Stahlhandelsfirma Klöckner arbeitet intensiv an ihrem Onlineshop für Stahl, um bis 2020 die Hälfte ihres Umsatzes online abzuwickeln.

Im B2C-Bereich hat der erfolgreiche schwedische Musik-Streaming Dienst Spotify selbst Apple mit iTunes „überrascht“. Allerdings holt Apple seitdem stark auf. Deutsche Unternehmen, wie Zalando, XING oder Delivery Hero, rangieren, weltweit betrachtet, mit großem Abstand hinter den erwähnten US-Giganten.

In den Mittelpunkt des vierten Teils dieser Blog-Reihe stelle ich den bisherigen Erfolg der US-amerikanischen Internet-Giganten und wie er zu erklären ist.

Ludger Grevenkamp
26. März 2018

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